4. Dezember 1995

 

Gerd Simon

Antrag auf Abschaffung der hochschulexternen Prüfungsämter

 

 

1.

Autonomie heißt Selbstbestimmung und damit auch Selbstprüfung.

2.

Die Autonomie einer Einrichtung wird so lange durch externe Prüfungen prinzipiell nicht gefährdet, wie letztere Aspekte betreffen, in denen sie sich selbst nicht als kompetent definieren kann, die Universitäten z. B. in Bereichen Finanzen oder Umweltgefährdung, wiewohl dadurch die Selbstprüfung auch in diesen Aspekten alles andere als überflüssig wird.

3.

Das Recht der Wissenschaft zu bestimmen, was Wissenschaft ist bzw. soll, ist unveräußerlich. Es schließt Beratungen durch externe Einrichtungen nicht aus.

4.

Selbstbestimmungen werden im Laufe der Zeit zu Fremdbestimmungen, wenn entweder de jure oder de facto nicht die Möglichkeit der Selbstrevision besteht. Eine Nichtregelung ist besser als eine nur schwer revidierbare Regelung.

5.

Die Spannung zwischen (theoretisch) selbstbestimmten Partnern, z. B. zwischen Wissenschaft und Politik ist grundsätzlich nur zum Schaden wenigstens einer, meistens beider Seiten auflösbar. Eine Wissenschaft, die sich wehrlos der Politik unterwirft, ist auch für diese wertlos.

6.

Die Prostitution der Wissenschaft an nichtwissenschaftliche Institutionen, wie sie die hochschulexternen Prüfungsämter darstellen, hat längst die Schmerzgrenze überschritten in Richtung Masochismus. Auch der hundertste Versuch eines Einzelfaches hier ein Flickwerk nochmals zu flicken, um die faktische Unterwerfung der Wissenschaften unter eine nichtwissenschaftliche Einrichtung wenigstens nach außen nicht in Erscheinung treten zu lassen, löst das Problem nicht. Das Beschwören der einstmaligen liberalen Praxis verzögert bestenfalls den Abrutsch der Wissenschaften in eine neue Botmäßigkeit.

7.

Das Universitätsgesetz ist der grundgesetzlichen Garantie der Wissenschaftsfreiheit anzupassen. Die einfachste Lösung ist die Abschaffung der hochschulexternen Prüfungsämter.

8.

In der überwiegenden Mehrheit der Länder, die überhaupt über Hochschulen verfügen, kennt man in den einzelnen Fächern jeweils nur einen Studiengang. Der Sinn mehrerer Studiengänge im gleichen Fach ist wissenschaftlich nicht begründbar.

9.

Die hochschulexternen Prüfungsämter orientieren sich an den Relikten der Bevormundung der Wissenschaften durch die Kirche im Mittelalter, wie sie z. B. in der Theologie noch erhalten ist.

10.

Eine Emanzipation der Wissenschaften, die diesen Namen verdient, kann nicht den Austausch einer Bevormundungsinstanz (der Kirche) durch eine andere - (den Staat, die Politik oder ein anderes Ministerium) - bedeuten.

Aus diesen zehn Punkten ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach Abschaffung der hochschulexternen Prüfungsämter. Die Rektoren und Präsidenten der deutschen Hochschulen werden hiermit entsprechend aufgefordert, eine Initiative zur Abschaffung dieser hochschulexternen Prüfungsämter zu starten. Es ist zu erwarten, daß die bundesweite Abschaffung der hochschulexternen Prüfungsämter auch zur Einsparung mehrerer Millionen führt. Last not least beendet die Abschaffung der hochschulexternen Prüfungsämter automatisch den momentan gravierendsten Faktor der alarmierend ansteigenden Studienzeitverlängerung in letzter Zeit.


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